Geschichte des Goju Ryu

Als Geburtsort der Kampfkünste gilt das sagenumwobene Shaolin Kloster (gebaut 477 u.Z.) am Shongshan, einem der 5 heiligen Berge Chinas in der Provinz Henan.
Ein altes chinesisches Sprichwort sagt:
„Alle Kampfkünste unter der Sonne begannen im Shaolin.“
Der Legende nach kam um 525 u.Z. der indische Mönch Bodhidarma ins Shaolin Kloster, um den Zen Buddhismus zu lehren. Nebenbei unterrichtete er die Mönche, damit sie nicht einschliefen, in gymnastischen Kampfübungen („18 Hände des Lo Han).
Nach Boddhidarmas Tod wurde das Chuan Fa (modern Kung Fu) 
durch den Mönch Ch èuh Yuan und Meister Li auf 72, 
später auf 120 Bewegungen entwickelt.
Im Bild ist ein restauriertes Fresko mit Kampftechniken 
aus der Ming-Zeit zu sehen.
Okinawa (= „ein Tau im offenen Meer“) ist die größte Insel der Ryukyu-Kette zwischen China und Japan. Auf Okinawa gab es das Selbstverteidigungssystem des „Tode“ („Technik der Tang“). 1392 kam es zu einer großen Auswanderungswelle von China nach Okinawa. Dabei waren auch die „36 Familien“ des Chuan Fa. Auf Okinawa war den unteren sozialen Schichten das Tragen von Waffen verboten.
Das Bubishi (im Bild chinesische Kopie) gilt als eine der wichtigsten Quellen des Karate in Okinawa. Es ist wahrscheinlich im 14. Jahrhundert mit einer der „36 Familien“, welche von China nach Okinawa auswanderten, in einen Tempel in Kume, in der Nähe von Naha gelangt. 
Die bedeutendsten Karatemeister des 19. und 20. Jahrhunderts besaßen wohl eine Kopie des Werkes, welches Einfluss auf die Entwicklung ihres Stils hatte. 
Das Werk umfasst 32 Kapitel mit wichtigen Informationen zum südchinesischen Stil des „Weißen Kranichs“. Besonders interessant sind die 48 Zeichnungen von Techniken gegen einen Angreifer.
Ab 1629 gab es geheime Konferenzen zwischen den Chuan Fa- und den Tode-Gruppen. Das Ergebnis war das sogenannte Okinawa Te („Hand von Okinawa“) oder einfach Te (= „Hand“). Im 19. Jahrhundert entstanden drei Hauptrichtungen des Okinawa Te, die nach den Städten, in denen sie entstanden, benannt wurden: 
Naha-Te, Shuri-Te und Tomari-Te.
Da der Bevölkerung von Okinawa das Waffentragen durch die japanischen Besatzer verboten war, entwickelten die Bauern, Handwerker und Fischer parallel zum Okinawa Te das Kobudo („alte Kriegskunst“). Dabei wurden landwirtschaftliche Geräte, Alltagsgegenstände und Werkzeuge zu Waffen umfunktioniert (z.B. Bo, Sai, Kama, Tonfa und Nunchaku).
Nach der Einführung neuer Gesetze zwischen 1869 und 1912 durfte die Kampfkunst von Okinawa öffentlich vorgeführt und seit 1905 in das Schulsystem integriert werden. 
Bis 1921 war das Okinawa Te in Japan unbekannt. 1922 brachte Gichin Funakoshi (1868-1957) das Okinawa Te nach Japan (später auch Myagi Chojun). Funakoshi gilt heute als Begründer des modernen Karate.
1935 führte Funakoshi den Begriff „Kara-Te“ (= „leere Hand“) ein, später „Karate Do“ (= „Weg der leeren Hand“). Die letztere Bezeichnung umfasst sowohl körperliche als auch geistige Aspekte. Die „leere Hand“ schließt allerdings nicht aus, dass in der Hand auch ein Gegenstand (Waffe) sein kann.
Kanryo Higaonna (1853-1916), der „Heilige des Faustschlages“ gilt als der „Urvater“ des Goju Ryu.
Im Alter von 13 Jahren geht er von Naha nach China. In Foochow wird er dem Chuan Fa Meister Ryu Ryuko vorgestellt und bleibt 15 Jahre bei ihm.
Im Bild ist Kanryo Higaonna (Mitte) mit Miyagi Chojun (rechts) zu sehen.
Von Ryu Ryuko lernt er mehrere Stile des Chuan Fa, darunter den „Stil des Weißen Kranichs“. Nach seiner Rückkehr nach China entwickelte er eine Synthese aus dem Chuan Fa und dem Okinawa Te. 
Seine Hinterlassenschaft ist der unvergleichliche Stil des Naha Te, benannt nach seiner Geburtsstadt. K. Higaonna (vorn 2. Von rechts) mit M. Chojun (hinten Mitte) ca. 1915.
Der spätere Begründer des Goju Ryu, Miyagi Chojun (1888-1953) wurde mit 14 Jahren (im Bild links) Schüler von K. Higaonna und blieb seinem Meister bis zu dessen Tod 1916 treu. Miyagi Chojun überstand als einer der wenigen Schüler das harte Training bei K. Higaonna. Er lehrte Miyagi als einzigem Schüler alle Goju Katas. Waffentechniken lehrte Higaonna nicht. Die Legende von Kanryo Higaonna lebte in seinem Schüler Miyagi Chojun fort.
Die Familie von Chojun Miyagi gehörte zu den wohlhabendsten von Naha. Dies ermöglichte es ihm, viele Reisen zu unternehmen. Zunächst lernte er selbst noch, später verbreitete er sein System des Goju Ryu.
Bereits von 1904-1908 reiste er nach Foochow. Nach dem Tod seines Lehrers K. Higaonna reiste er 1916 abermals nach China, um den Shaolin- und Pa-Kua Stil zustudieren.
Nach seiner Rückkehr aus China 1920 kreierte er die Katas Gekisai Dai Ichi, Gekisai Dai Ni (1941) sowie die Tensho. 1921 durfte er seine Kunst dem Kronprinzen Hiroito vorführen
(Foto: Ch. Miyagi in seinem Dojo in Naha).
1929 wurde Chojun Miyagi von Gogen Yamaguch nach Japan eingeladen. Im Zusammenhang mit den Vorführungen wählte Miyagi als Bezeichnung für seinen Stil den Begriff „Goju Ryu“ aus dem Bubishi. In den „Acht Epen der chinesischen Fäuste“ heißt es: „Alles im Universum atmet hart und weich.“ Der Begriff symbolisiert die Vereinigung des GO (= hart, äußerlich) und JU (= weich, innerlich), der Muskelkraft mit der inneren Energie
(Foto: Chojun Miyagi lehrt Kata ca. 1929).
1934 wurde der Stil von Chojun Miyagi in die Liste des Butoku Kai (Foto), dem Sitz des offiziellen Kampfsportverbandes in Japan eingetragen. Im gleichen Jahr erschien Ch. Miyagis Schrift „Karate Do“. 1935 wurde Miyagi zum Vorsitzenden des Ablegers des Butoku Kai auf Okinawa ernannt.
1926 gründete Ch. Miyagi zusammen mit Chomo Hanashiro (Shuri-Te), Kenwa Mabuni (Shito-Ryu), Motobu Choyo u.a. den „Karate Research Club“ in Okinawa. Das Foto zeigt die Meister von Okinawa im Jahre 1936 (vordere Reihe v.l.: Chotoku Kyan, Kentsu Yabu, Chomo Hanashiro, Chojun Miyagi / hintere Reihe v.r.: Shinpan Gusukama, Shoryu Maeshiro, Chosin Chibana, Kenwa Nakasone).
Chojun Miyagi verbrauchte sein Vermögen zur Verbreitung des Karate (1934 Hawaii, 1935 Japan, 1936 China). Das Foto zeigt Miyagi mit seinen Schülern auf Okinawa ca. 1941.
Zu den Opfern des Zweiten Weltkrieges gehörte auch Miyagis bester Schüler Jin`an Shinzato.
1935 wurde an der Ritsumaikan Universität in Kyoto ein Karate Do Club gegründet. Die wichtigsten Mitglieder waren Gogen Yamaguchi (1909-1989), Shozo Ujita (1917-1989), Tomoharu Kizaki (1921-1996) und Kenzo Uchiage (1920-2003). 
Das Foto zeigt Chojun Miyagi (vorn Mitte) 1942 mit Studenten der Ritsumaikan Universität (vorn rechts Kenzo Uchiage).
Nach dem Krieg nahm Miyagi das reguläre Training wieder auf. Er wurde Direktor der Vereinigung für körperliche Erziehung auf Okinawa. Darüber hinaus unterrichtete er am Lehrerkollege, an der Polizeiakademie und gründete das legendäre „Garten Dojo“. 
Das Foto zeigt Ch. Miyagi (2. v.l.) mit Meitoku Yagi, Ei`ichi Miyazato, Seikichi Toguchi und Eiko Miyazato (von links) ca. 1950 beim Üben von Kihon Kumite .
Ab 1951 verschlechterte sich nach einem ersten Herzinfarkt der Gesundheitszustand von Miyagi Chojun zunehmend. Trotzdem unterrichtete er unermüdlich weiter.
Auf dem Foto sehen wir Miyagi Chojun (Mitte sitzend) mit seinen engsten Schülern Eiichi Miyazato (links), Meitoku Yagi (dahinter) und Seikichi Togichi (rechts) ca. 1952.
Am 08. Oktober 1953 erlag Ch. Miyagi einem zweiten Herzinfarkt, ohne einen Nachfolger zu benennen. 
Mit dem Tod von Ch. Miyagi spaltete sich das Goju Ryu in das Okinawan Goju Ryu und das japanische Goju Kai.
Das Bild zeigt den Gedenkstein für Miyagi Chojun und Kanryo Higaonna in Naha.
1954 trafen sich die engsten Schüler von Miyagi mit dessen Ehefrau und seinem zweiten Sohn Kin Miyagi in einem Restaurant in Naha, um einen Nachfolger für Miyagi Chojun zu bestimmen. Mit Zustimmung der Familie Miyagi wurde Eiichi Miyazato (Foto Mitte) gewählt.
Bereits 1950 gründete Gogen Yamaguchi (1909-1989), der älteste Schüler Miyagis in Japan, die „All Japan Karate-Do Goju Kai“. Yamaguchi studierte lange Zeit Kata bei Meitoku Yagi und brachte so viele Elemente des Okinawan Goju Ryu in die japanische Interpretation der Goju Katas.
Im Bild die Instruktoren des JKF Goju Kai Kinkichi Katano, Mitsuyasu Okamura, Gogen Yamaguchi, Shozo Ujita und Kenzo Uchiage (von links).
Shozo Ujita (1917-1989) war Schüler von Miyagi Chojun und gründete 1945 sein erstes Dojo in Wakayama und nannte es KENBUKAN. 
1972 rief er zur Erneuerung der „All Japan Karatedo Federation Goju-Kai“ auf und war von 1977 bis zu seinem Tod deren 2. Präsident.
Sh. Ujita folgte der Auffassung von Ch. Miyagi, wonach jeder Karateka mit seiner körperlichen und geistigen Persönlichkeit den Stil ausfüllen muss.
Shozo Ujita war maßgeblich an der Weiterführung und Standardisierung der Trainingsmethode von Miyagi Chojun sowie an der Entwicklung des modernen Wettkampfkarates beteiligt.
Er verfasste das Verbandsbuch des JKF Goju-Kai (im Bild das Titelblatt), in welchem er die Katas so standardisierte, wie sie Miyagi Chojun in Japan lehrte. Nach Miyagi`s Tod brachte Meitoku Yagi Elemente der Okinawan Goju Kata`s in die japanischen Versionen ein.   
Seit Sh. Ujitas Tod rückt das JKF Goju- Kai Japan immer weiter von den Kata`s im Verbandsbuch ab. Die Kata`s werden durch ein Trainerkomitee des JKF Goju-Kai ständig geändert.
Auf Okinawa wurde Eiichi Miyazato (1922-1999) zur zentralen Persönlichkeit des Goju Ryu (Foto: Miyazato an der Büste Miyagi`s im Jundokan). Trotzdem spaltete sich auch auf Okinawa der Stil in viele kleinere und Familienstile auf. 
Bedeutende Schüler von Miyazato waren Anichi Miyagi (1931-2009) und Morio Higaonna (geb. 1938), der heute das Oberhaupt der Internationalen Okinawa Goju-Ryu Karate-Do Föderation (IOGKF) ist.
Jürgen Seydel (1917-2008) gilt als der „Vater des Karate“ in Deutschland. 1957 gründete er den ersten Karate-Club in Bad Homburg. Jürgen Seydel besuchte viele Lehrgänge mit den Großmeistern Mochizuki und Murakami in Frankreich. Gleichzeitig lud er viele japanische Meister nach Deutschland ein und bestand 1959 die Prüfung zum 1. Dan. Bis 1965 war er der einzige Dan-Träger Deutschlands.
Sein prominentester Schüler war der in Deutschland stationierte Elvis Presley, „the King of Rock`n Roll“.  
Für seine Verdienste um das Karate wurde Jürgen Seydel mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Fritz Nöpel (geb. 1935) gilt als Begründer und Wegbereiter des Goju Ryu in Deutschland. Während seiner Fahrradreise durch Asien kam er 1957 in das Yuishinkan Dojo von Tomoharu Kisaki (9. Dan) in Osaka. 1967 kehrte er mit seiner Frau Eiko nach Deutschland zurück und gründete in Dortmund das erst Goju Ryu Dojo. 
Fritz Nöpel ist Träger des 10. Dan und des Ehrentitels Hanshi und damit der höchstgraduierte Dan-Träger im Deutschen Karateverband e.V. (DKV).
Heute werden drei große Traditionslinien des Goju Ryu unter dem Dach des DKV gepflegt. Dies sind die Linien von Tomoharu Kizaki (Yuishinkan), Shozo Ujita (Kenbukan) und Gogen Yamaguchi (Gojukan) – siehe Stammbaum des Goju Ryu.
Die Linie des Okinawa Goju Ryu hat sich außerhalb des DKV im Okinawa Goju Ryu Karate-Do Verband Deutschland e.V. (OGKVD) organisiert. Die OGKVD ist Mitglied des Weltverbandes von Morio Higaonna (10. Dan).

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